Bedeutung des Rufs des Gerichts

In Anbetracht seiner herausragenden Rolle für den Schutz der Menschenrechte in Europa ist das Ansehen des Gerichts von hoher Bedeutung. Das Verhalten des Gerichts hat erheblichen Einfluß auf die Entwicklung der Menschenrechte in Europa – in der einen Richtung oder der anderen.

Möglicherweise mit Ausnahme jener Länder, in denen Menschenrechte vorsätzlich und aus politischen Gründen verletzt werden, ist zu erwarten, dass der Umgang des Gerichts mit Menschenrechten das Verhalten der Mitgliedsstaaten beeinflusst. Falls das Gericht Menschenrechtsverletzungen erklärt wann immer sie vorliegen und die Mitgliedsstaaten für verantwortlich erklärt, werden die Mitgliedsstaaten motiviert, Menschenrechte auch auf nationaler Ebene zu sichern. Faire Verfahren sind nicht nur ein Menschenrecht, sie spielen auch eine wichtige Rolle beim Schutz von Menschenrechten auf der nationalen Ebene und wenn Verfahren vom EGMR als nicht fair erklärt werden hat dies vermutlich auch Einfluß auf die nationalen Gerichtssysteme.

Falls andererseits die Mitgliedsstaaten damit rechnen können, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Menschenrechtsverletzungen vom EGMR nicht untersucht werden, sonndern die Beschwerden auf Basis (fehlerhafter, unangemessener) Unzulässigkeitsentscheidungen abgewiesen werden, kann der Mangel an Schutz auf internationaler Ebene negativen Einfluß auf den Schutz der Menschenrechte auf nationaler Ebene haben.

Dies gilt insbesondere für Staaten mit hochkorrupten Gerichtssystemen. Eine auf Korruption basierende Entscheidung im Gericht ist überwiegend eine Entscheidung zugunsten persönlicher Ineterssen der Richter. Sofern ein Richter sich darauf verlassen kann, dass eine korrupte Entscheidung durchgeht, neigt sich die balance auf die Seite der Korruption. Sofern der Richter mit einem erheblichen Risiko rechnen muss, dass die korrupte Entscheidung auf internationaler Ebene als im Widerspruch zu einem fairen Verfahren stehend, als das Menschenrecht auf ein faires Verfahren verletzend gewertet wird, ist das geeignet, ein durch Korruption beeinflusstes Urteil zu verhindern.

Betrachtet man dies und die Rolle fairer Verfahren als Schutz vor Verletzung anderer Menschenrechte, bergen unangemessene Unzulässigkeitsentscheidungen, die Verweigerung eines Urteils in der Sache, erhebliches Schadpotential für den Schutz der Menschenrechte in allen Formen. Vor diesem Hintergrund muss die Sicherung hoher Qualität in Zulässigkeitsentscheidungen ein wesentliches Ziel der Menschenrechtspolitik und Gerichtspraxis sein.

Wenn jedoch der EGMR selbst die Prinzipien auf ein Recht auf effektive Abhilfe (Artikel 13) durch mangelhafte Unzulässigkeitsentscheidungen und das Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6) durch nicht-öffentliche Entscheidungen ohne angemessene Begründungen verletzt, wie will er dann die Legitimierung haben, dies von den Mitgliedsstaaten der Konvention zu fordern?