Die Bedeutung des Zugangs zum EGMR für den Schutz der Menschenrechte

Gültige Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte können eingereicht werden, sofern die nationalen Gerichte die in der Europäischen Konvention für Menschenrechte garantierten Rechte von Einzelpersonen und Organisationen nicht geschützt haben. Im Allgemeinen ist zu erwarten, dass solche Beschwerden vom Beschwerdeführer nach eingehender Prüfung und mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Menschenrechte als Grund für die Beschwerde eingereicht werden.

Zwar gibt es eine Reihe formeller Gründe für das Gericht, Beschwerden als nicht zulässig zu erklären, doch Zweifel an der hohen Zahl von Beschwerden, die als nicht zulässig eingestuft werden, erscheinen berechtigt. Die Statistik zeigt, dass ungefähr 95% der Beschwerden als unzulässig erklärt werden und nur für 5% ein Urteil ergeht. Aus eigener Erfahrung bin ich davon überzeugt, dass das Gericht Beschwerden aufgrund unsachgemäßer Anwendung der Kriterien für unzulässig erklärt, dadurch die Konvention verletzt und seine Aufgaben nicht erfüllt.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass jede fälschlicherweise für unzulässig erklärte Beschwerde ein hohes Risiko birgt, dass Menschenrechtsverletzungen von Seiten der Mitgliedstaaten toleriert werden, was keinen Anreiz zur Verbesserung der Menschenrechtssituation auf nationaler Ebene darstellt.

Ungefähr die zehnfache Zahl der Beschwerden, für die ein Urteil ergeht, werden mit der Bewertung „offensichtlich unbegründet“ als unzulässig erklärt – ist das plausibel?

Es muss darauf hingewiesen werden, dass jede Beschwerde, die fälschlich als unzulässig erklärt wird, ein hohes Risiko beinhaltet, dass eine Verletzung der Menschenrechte durch den Mitgliedsstaat toleriert wird und dadurch keine Anregung zur Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte auf nationaler Ebene besteht.

Unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Konsequenzen einer fehlerhaften Unzulässigkeitserklärung einer Beschwerde sollte erwartet werden, dass das Gericht hohe Standards bei der Qualität solcher Entscheidungen einhält. In keinem Fall dürfen fehlerhafte Entscheidungen des Gerichtes als Methode zum Umgang mit hohen Fallzahlen genutzt werden. Die Absicht dieser Website ist, dem Gericht durch Veröffentlichung von Unzulässigkeitserklärungen auf Basis zweifelhafter Unzulässigkeitsentscheidungen von Einzelrichtern bei der Einhaltung angemessener Qualitätsstandards zu helfen. Bitte kontaktieren Sie mich, wenn Ihnen solche Entscheidungen bekannt sind.

In meinem Fall zeigte die Entscheidung, die meine Beschwerde als unzulässig erklärte, keine formalen Fehler im Antrag auf, stellte jedoch fest, dass „keine Anzeichen einer Verletzung der Rechte und Freiheiten, die in der Konvention oder den Protokollen dazu festgelegt sind, aufgezeigt werden“. Diese Aussage muss gegen die Zulässigkeitskriterien in der Konvention geprüft werden.

„Artikel 35 – Zulässigkeitsvoraussetzungen“ nennt die Bedingungen, unter denen eine Beschwerde als unzulässig zu bewerten und zurückzuweisen ist. Da alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen in diesem Fall erfüllt wurden und keine Verletzungen der Punkte 1, 2, 3b in der Entscheidung benannt wurden, ist zu folgern, dass die Entscheidung auf Basis des Punktes 3a des Artikels erfolgte:

„Der Gerichtshof erklärt eine nach Artikel 34 erhobene Individualbeschwerde für unzulässig,
wenn er sie für unvereinbar mit dieser Konvention oder den Protokollen dazu, für offensichtlich unbegründet oder für missbräuchlich hält“

Da auch keine Unvereinbarkeit mit der Konvention oder Mißbräuchlichkeit festgestellt wurde, bleibt als möglicher Grund für die Unzulässigkeitserklärung nur „offensichtlich unbegründet“ und diese Formulierung muss weiter analysiert werden. Es muss darauf hingewiesen werden, dass dieser Begriff nicht einfach als „unbegründet“ festgelegt ist, wie das das Ergebnis einer ausführlichen Untersuchung des Falls sein könnte, sondern die Bedingung offensichtlich unbegründet erfüllt sein muss, was eine viel schärfere Beschränkung bedeutet.

Der „Leitfaden zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen“ führt in „III. UNZULÄSSIGKEIT AUS MATERIELLEN GRÜNDEN“ an, dass offensichtlich nicht im wörtlichen Sinne zu lesen sei, sondern „der Begriff weiter und im Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens zu verstehen ist“ und „eine Beschwerde als offensichtlich unbegründet angesehen wird, wenn eine erste Untersuchung der Begründetheit keinen Anschein einer Verletzung der Konventionsrechte erkennen lässt“. Abgesehen davon, dass diese Interpretation in sich höchst fraglich ist und zur Willkür bei der Ablehnung von Beschwerden einlädt, liegt eine Entscheidung über die Unzulässigkeit in diesem breiten Sinne außerhalb der Kompetenz eines Einzelrichters. Dies folgt klar aus Artikel 27 der Konvention:

„ARTIKEL 27 – Befugnisse des Einzelrichters
1. Ein Einzelrichter kann eine nach Artikel 34 erhobene Beschwerde für unzulässig erklären oder im Register streichen, wenn eine solche Entscheidung ohne weitere Prüfung getroffen werden kann.“

Gemäß dieses Artikels ist die Kompetenz eines Einzelrichters, eine Beschwerde im weiten Sinne von „offensichtlich unbegründet“ (wie im obengenannten Leitfaden über Zulässigkeitsvoraussetzungen behauptet) nach einer ersten Untersuchung der Begründetheit als unzulässig zu erklären, eindeutig durch die Tatsache ausgeschlossen, dass eine entsprechende Kompetenz für Einzelrichter auf Entscheidungen begrenzt ist, die ohne weitere Prüfung getroffen werden können (im englischen Text ist in beiden Fällen das Wort „examination“ genannt, nicht wie im deutschen Text an einer Stelle Untersuchung, an der anderen Prüfung).

Diese Regelung in der Konvention ist weise, da solche von einem Einzelrichter getroffenen Entscheidungen endgültig sind, wobei eine fehlerhafte Entscheidung dem Beschwerdeführer den Schutz der Menschenrechte durch das Gericht verwehrt. Es ist mehr als offensichtlich, dass eine solche schwerwiegende Auswirkung eine Auslegung des Begriffs „offensichtlich unbegründet“ in einem ziemlich engen Sinn erfordert. Selbst wenn sich der Leitfaden zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen auf ständige und insoweit reichhaltige Rechtsprechung der Konventionsorgane bezieht gibt das keine Rechtfertigung, den Schutz von Menschenrechten in direkter Verletzung einer ziemlich klaren Kompetenzregelung in der Konvention zu gefährden.

Einzelheiten der Beschwerde, auf die sich die Unzulässigkeitsentscheidung, die mich zum Verfassen dieser Website veranlasste, bezieht, sind auf der folgenden Seite dargestellt, so dass auf dieser Seite nur eine kurze Übersicht über die Beschwerde erfolgt.

Die ans Gericht gesandte Beschwerde beinhaltet Ausführungen zur Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 der Konvention, einschließlich der Tatsache, dass wesentliche Argumente unserer Seite im nationalen Verfahren in der Begründung des Urteils nicht betrachtet (Seite 5), wesentliche Beweise nicht berücksichtigt wurden (Seite 5) und ein Antrag auf Beweiserhebung durch das Gericht gegen geltendes Recht (Seite 6) verweigert wurde. Weiterhin enthält die Beschwerde Hinweise auf wahrscheinlichen EInfluß von Korruption auf die Entscheidung des nationalen Gerichts, so zum Beispiel die Tatsache, dass das gericht seine Entscheidung auf Annahmen stützt, die selbst von der Gegenseite nicht benannt wurden, da die Gegenseite weder an der Verhandlung teilnahm noch in anderer (rechtskonformer) Weise eine Stellungnahme bezüglich ihrer Position an das Gericht übermittelte.

Weiterhin enthält die Beschwerde einen Bezug auf die Garantie des Eigentums (Protokoll 1) und stellt dar, dass die Eigentumsrechte auf die vertragsgemäße Zahlung durch das Fehlen eines fairen Verfahrens verloren gingen und dadurch der (ukrainische) Staat seine Verpflichtung zur Sicherung der Eigentumsgarantie verletzte.

In diesem Zusammenhang kann die Bedingung „offensichtlich unbegründet“ als Begründung für die Unzulässigkeitsentscheidung wohl kaum als passend bewertet werden. Die Verpflichtung des Gerichtes, Gründe für seine Entscheidung zu nennen, kann nicht durch „Gründe“ erfüllt werden, die im offensichtlichen Widerspruch zu den Tatsachen des Falles stehen.

Die Reputation des Gerichtes ist von hoher Bedeutung. das bedeutet, dass Standards für ein faires Verfahren, das das Gericht auf verfahren auf nationaler Ebene anwendet, auch in seinen eigenen Entscheidungen berücksichtigt werden sollten. Inwieweit vor dem Hinetgrund, dass die Beschwerde drei Seiten Erklärungen über das nicht faire nationale Verfahren beinhaltet, das folgende Statement (das eine allgemeine Phrase darstellt und keinerlei Bezug auf die Tatsachen des Falles und die Einzelheiten in der Beschwerde enthält)

hinreichend zur Erfüllung der Anforderungen von Artikel 45 der Konvention:

„Artikel 45 – Begründung der Urteile und Entscheidungen
1 Urteile sowie Entscheidungen, mit denen Beschwerden für zulässig oder für unzulässig erklärt werden, werden begründet.“

erfüllen, scheint höchst fraglich.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass, während die Verfahrensordnung des Gerichts (§52A) vorsieht, falls ein Einzelrichter eine Beschwerde nicht als unzulässig erklärt, der Richter die Beschwerde an ein Komitee oder eine Kammer weiterleiten soll, das vereinfachte Schema zur Fallbearbeitung je nach richterlicher Besetzung in der vom Gericht veröffentlichten Form einen solchen Pfad nicht vorsieht – was offensichtlich zeigt, dass einfach durch Zuordnung einer Beschwerde zu einem Einzelrichter typischerweise eine Vorentscheidung für die Erklärung als unzulässig getroffen ist – das Äquivalent zu einem Freud’schen Versprecher?

Das Diagramm zeigt die Unzulässigkeitsentscheidung als einziges mögliches Ergebnis der Zuweisung einer Beschwerde zu einem Enzelrichter – kann das als fair und unvoreingenommen gewertet werden?